Schleswig-Holstein

gestellte Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)

Die rechts aufgeführte Grafik stellt die erfassten Gewalttaten (polizeiliche Kriminalstatistik/PKS), im Vergleich zu den niedrigen Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in den Jahren 2017 bis 2021 dar. 

Erwähnt werden muss jedoch, dass die PKS lediglich das Hellfeld der Gewalttaten erfasst und daher eine weitaus höhere Anzahl von Gewalttaten angenommen werden müsse, nachdem die Dunkelziffer vor allem im Bereich sexualisierter Gewalt und sexuellem Missbrauch sehr hoch ist. Zudem ist hierin die Anzahl der tatsächlichen Opfer nicht ersichtlich, da eine Gewalttat durchaus mehrere Opfer zur Folge haben kann, welche in diesem Falle nicht erfasst werden. 

2017 lag der niedrigste Wert an Antragsstellungen mit 7,97% vor, der Höchste war 2020 mit 10,87% zu verzeichnen. 

2021 (der aktuellsten Statistik des Weißen Rings), stellten bei 5.118 erfassten Gewalttaten, lediglich 548 Gewaltopfer einen Antrag nach dem OEG, was 10,71% entsprechen würde. Allerdings sind unter den Antragsstellern auch jene Opfer erfasst, bei welchen zuvor kein Strafverfahren stattgefunden hatte (beispielsweise wegen Verjährung der Taten, dem Tod des Täters, etc.) und somit in der PKS keine Erwähnung finden. 

Fazit: aufgrund der nicht erfassten hohen Dunkelziffer in der polizeilichen Kriminalstatistik, sowie der tatsächlichen Opferwerdungen, lässt sich feststellen, dass 2021 <10,71% der Gewaltopfer einen Antrag nach dem OEG stellten.

 

Quellen: polizeiliche Kriminalstatistiken (2017-2021), OEG-Statistiken des Weißen Rings (2017-2021)

 

Gründe, für die niedrige Anzahl der Antragsstellungen:

  • kein vorhandenes Wissen über die Existenz des Opferentschädigungsgesetzes
  • Überforderung bei der Antragsstellung (z.B. Retraumatisierung durch erforderliche Tatschilderung, Einleitung von Verfahren, wenn zuvor kein Strafverfahren erfolgte oder dieses zu keiner Verurteilung führte, Befragung von Tätern, u.v.m.)
  • in manchen Fällen: Fristsetzung seitens der Versorgungsämter für das Ausfüllen der Anträge -> zusätzlicher Aufbau von Druck
  • Abraten von Fachpersonen (aufgrund der diskriminierenden Verfahrensführung, welche neben sekundären Viktimisierungen mitunter jahrzehntelange Klageverfahren zur Folge haben.)

Anerkennungen und Ablehnungen

Anerkennungen

Wenn man die obere Statistik näher betrachtet, so ist es erschreckend realisieren zu müssen, wie wenige Gewaltopfer eine Anerkennung nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten (lilaner Graph), im Vergleich zu den erfassten Gewalttaten (PKS/ Hellfeld, blauer Graph). 

Als Quellen dienten auch hier die öffentlichen Statistiken der PKS (2017-2021), sowie die OEG-Statistiken des Weißen Rings (2017-2021). 

Es stellten zwar in all den dargestellten Jahren nur zwischen 7,97%- 10,87% der Gewaltopfer einen Antrag nach dem OEG, dennoch werden unter diesen eine hohe Anzahl abgelehnt, sodass schlussendlich in diesem Zeitraum lediglich 0,88%- 2,53% der Gewaltopfer eine Anerkennung erhielten. 

Da wie bereits erwähnt, die Vergleiche zur polizeilichen Kriminalstatistik nicht 1:1 gewertet werden können, da weitere objektive Daten fehlen, ist mit einer weitaus niedrigeren Zahl der Anerkennungen im Vergleich zu den tatsächlichen Gewaltopfern zu rechnen. 

Unter diesen geringen Anerkennungen erhalten allerdings nicht alle Gewaltopfer Leistungen nach dem OEG, da diese abhängig vom Grad der Schädigung (GdS) sind. Hier entsteht das nächste Problem, denn viele Betroffene sind derart durch die ihnen zugefügte Gewalt geschädigt, dass sie darauf angewiesen sind, in dieser Situation Hilfe (sei es bspw. im gesundheitlichen, rehabilitativen und finanziellen Bereich) zu erlangen, wozu der Staat nach dem Gesetz auch verpflichtet wäre, wenn eben solche Schäden hierdurch entstanden sind. 

Dennoch werden regelmäßig die vorhandenen Schäden durch Gutachten abgelehnt, auch wenn gegenteilige Arzt- und Therapeutenberichte vorliegen. Hierdurch entstehen zahlreiche weitere Gerichtsverfahren, welche Jahre bis hin zu Jahrzehnten andauern und eine zusätzliche Belastung für, sowie sekundäre Viktimisierung von Betroffenen darstellt. All diese Hintergründe, sowie Diskriminierungen werden allerdings nicht erfasst, ebensowenig, wie viele durch die Verfahrensführung resignieren, in Krisen verfallen, sich suizidieren. 

Ablehnungen

2021 wurden von 5.118 erfassten Gewalttaten (PKS) lediglich 548 (10,71%) Anträge nach dem OEG gestellt. Hiervon wurden 115 (2,25% anerkannt/ = Anteil an Gewalttaten), sowie 93 aus sonstigen Gründen erledigt (erfasst werden allerdings nicht die zugrunde liegenden Gründe wie bspw. Umzug, Rückzug des Antrages oder Tod des Antragsstellers).

325 Anträge wurden abgelehnt, was einer höheren Anzahl als der der Anerkennungen entspricht. 

Doch wie kommt es hierzu?

Eine Schwierigkeit besteht in der Beweislast des Opfers, insbesondere dann, wenn kein vorheriges Gerichtsverfahren erfolgte (z.B. bei sexuellem Missbrauch, Tod des Täters, etc.), doch auch wenn eine Gewalttat objektiv nachweisbar ist, werden die Schäden abgesprochen, sodass auch zahlreiche solcher Fälle abgelehnt werden. Die Verfahren sind unsensibel, sowie unsozial.

Wie Prof. Jörg Ziercke (Bundesvorsitzender des Weißen Rings) forderte: “ Unschuldige Opfer werden so erneut zu Opfern gemacht. Diese Ungerechtigkeit werden wir nicht akzeptieren. Die Politik regelt die Opferentschädigung ab 2024 neu im Sozialgesetzbuch XIV. Aber die Hilfe, die den Opfern auf dem Papier versprochen wird, erreicht die Menschen in der Realität erst, wenn sich die Kultur in den Behörden ändert. Ämter müssen auf Anerkennung prüfen, nicht auf Ablehnung. In Deutschland muss der Leitsatz gelten: Im Zweifel für das Opfer!

 

Weitere Hintergründe sind dem OEG-Report des Weißen Rings, sowie den OEG-Statistiken  zu entnehmen.

 

nicht erfasste Daten

Einige der vorhandenen Missstände könnten objektiviert werden, doch ist es hierfür notwendig, diese neutral zu erfassen, weswegen in den Petitionen unabhängige, externe Monitoringstellen gefordert werden.  Dies impliziert allerdings eine vollkommene Unabhängigkeit aller staatlichen Instanzen, sowie an den Verfahren Beteiligten. 


wichtige zu erfassende Daten wären insbesondere:


      Gestellte Anträge mit/ ohne Anzeigenstellung

      Widerspruchs-/ Klageverfahren, sowie Begründungen hierfür

      Ablehnungen

      Erfassen von Ablehnungsgründen

      Gewaltdelikte (Art)

      Grad der Schädigungsfolgen/ GdS (bei anerkannten Anträgen)

      Offenlegung aller beantragten, bewilligten und abgelehnten Anträge, sowie deren GdS (über einen längeren Zeitraum, z.B. von mindestens 15 -20 Jahren)

      Zeitraum des Antragsverfahrens

      Qualifikationen der Gutachter

      externe Überprüfung der Gutachten (z.B. durch ausgebildete Fachärzte/ Psychotherapeuten mit Schwerpunkt Psychotraumatologie) und unabhängige Einschätzung dieser

      Anzahl der Anzeigenforderungen durch die Ämter, um Opferentschädigung erhalten zu können

      Erfassen von sekundären Viktimisierungen anhand der Daten (Begründungen, Begutachtungen)

      Erforschung von Suizidopfern, welche zuvor einen Antrag auf OEG gestellt hatten, sowie Analyse von Ablehnungen/ Begutachtungen/ Begründungen und hierdurch womöglich sekundäre Viktimisierung, welche einen Suizid begünstigen

 

 Opferbefragungen OEG betreffend:

      sekundäre Viktimisierungen von Amtswegen → in welcher Form, Art, Ursachen

      zusätzliche Erschwernisse (Sprache, Zugang, mangelhafte Aufklärung, z.B. über Beschwerdemöglichkeiten, Opferrechte, OEG, Antragsverfahren, Rechtsanwalt, finanzielle Einbußen (z.B. durch Eigenfinanzierung von Gutachten, Anwaltskosten…), etc.)

      Unterstützung vorhanden? In welcher Form? Als ausreichend oder verbesserungswürdig erachtet?

 

Allgemein:

      Sonstige Verstöße gegen die Opferschutzrichtlinien

 

Einbeziehung von anderen Fachpersonengruppen:

      Rechtsanwälte, welche im Bereich des OEG- Verfahrens tätig sind

      Psychotherapeuten/ Psychiater, dessen Patienten sich im OEG- Verfahren befinden, bzw. befanden

      Psychotraumatologen