Bayern

  1. Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) im Vergleich zu den in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten (Zeitraum: 2008-2023)
  2. Erledigungen gestellter Anträge (Zeitraum: 2008-2023)
  3. Entscheidungen erledigter Anträge (Zeitraum: 2008-2023)
  4. Analyse der Anerkennungen (Zeitraum: 2008-2023)
  5. Inkorrekte Statistik/ Bayern (2017)

1. Gestellte Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)/ 2008-2023

Nachdem bislang keine Vergleichsanalyse aller existierenden Landesstatistiken zur Opferentschädigung stattgefunden hatte, soll im Folgenden hierauf, unter Bezugnahme der Daten Bayerns, welche vonseiten des Weißen Rings jährlich erhoben und veröffentlicht wurden, eingegangen werden. Aktuell umfasst dies den Zeitraum von 2008 bis einschließlich 2023 (als zuletzt, im Februar 2025, erschienene Statistik ). Landesspezifische Daten zum SGB XIV (welches nachfolgend des vorherigen Opferentschädigungsgesetzes, am 01.01.2024 in Kraft trat), liegen bislang, aufgrund technischen Versagens der IT-Infrastruktur, nicht vor (Stand: April 2025), wodurch hierauf nicht eingegangen werden kann. 

 In der rechts aufgeführten Statistik sind die niedrigen Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)/ grau, im Vergleich zu den in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten/blau, abgebildet. 

Daten/ Analyse:

In Bayern war die Antragsstellungsquote (OEG)/ im Vergleich zur PKS, (von 2008-2023), zwischen 5,72% (im Jahr 2022/ 2023) und 10,53% (im Jahr 2010) zu verzeichnen. 

Demnach stellten noch im Jahr 2010 bei 20.177 erfassten Gewalttaten (PKS), 2.125 Opfer in Bayern einen Antrag auf Opferentschädigung (10,53%), wohingegen 2022/2023 ein Negativrekord, mit 1.178 (2022), 1.235 (2023) gestellten Anträgen bei 20.608 (2022), 21.579 (2023) erfassten Gewalttaten (5,72%), eintrat. Wie die Anträge schlussendlich entschieden wurden, ist unten ausgeführt. 

Fazit: aufgrund der nicht erfassten hohen Dunkelziffer in der polizeilichen Kriminalstatistik, sowie der tatsächlichen Opferwerdungen, lässt sich feststellen, dass zuletzt/ 2022/ 2023, <5,72% der Gewaltopfer einen Antrag auf Opferentschädigung stellten.

Abb.1 Antragsstellungen (OEG) im Vergleich zu den in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten, Zeitraum 2008-2023

Die polizeiliche Kriminalstatistik/ PKS umfasst lediglich das Hellfeld von Straftaten und somit jene, welche angezeigt und schlussendlich vonseiten der Polizei an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurden. Nicht sichtbar ist hierin jedoch u.a. das hohe Dunkelfeld von Sexualdelikten, sowie sexuellen Kindesmissbrauchs, sodass von einer weitaus höheren Kriminalitätsrate/ Opferwerdung ausgegangen werden kann und sich demnach das Verhältnis zueinander ändert. Ebenso stellt eine Strafanzeigenstellung keine Voraussetzung für die Antragsstellung/ Opferentschädigung dar (was bspw. häufiger im Falle von Sexualdelikten, Verjährung der Tat, bei ehemals betroffenen Kindern, Tod des Täters… auftritt). Gleichwohl ist der Vergleich zur PKS angezeigt, nachdem sowohl in der Bevölkerung, als auch unter Gewaltopfern unzureichende Kenntnis hinsichtlich der Existenz von Opferentschädigungsansprüchen besteht (weitere Gründe sind unterhalb der Grafik abgebildet), sodass bereits hierdurch zahlreiche, potenzielle Ansprüche verwehrt bleiben oder eine Antragsstellung erst nach Jahren/ Jahrzehnten erfolgt. 

  • kein vorhandenes Wissen über die Existenz des Opferentschädigungsgesetzes/ SGB XIV (Vgl. FORSA-Umfrage/ Weißer RingRepräsentative Bevölkerungsbefragung zum Thema Soziales Entschädigungsrecht/BMAS)
  • Überforderung bei der Antragsstellung (z.B. Retraumatisierung durch erforderliche Tatschilderung, Umfang einzureichender Unterlagen, Einleitung von Verfahren, wenn zuvor kein Strafverfahren erfolgte, Gefühle von Ohnmacht, Angst, Ungewissheit, Scham, Einnahme der Rolle eines Bittstellers, ggf. Befragung von Zeugen, Tätern, fehlende Unterstützung/ Begleitung, Aufgabe der Privatsphäre (sowohl den Zeitraum ab der/ den Tat/en, als auch zuvor/ danach betreffend), u.v.m.
  • Abraten von Fachpersonen (aufgrund der diskriminierenden Verfahrensführung, welche neben sekundären Viktimisierungen, mitunter jahrzehntelange Klageverfahren zur Folge haben.)

2. Quantitative Antragserledigungen (2008-2023)

Von den in (Abb.1)  bereits erfassten Antragsstellungen, wird nun die Erledigung dieser in Abb. 2 dargestellt. 

Nachdem die Dauer der Erledigung (d.h. bis zur Ausstellung des Erstbescheids oder sogenannter „Erledigung aus sonstigen Gründen“, s.h. unten), variiert und mitunter mehrere Jahre betragen kann, finden Abweichungen (bezogen auf die jeweiligen Jahresstatistiken) statt. Hierdurch ist u.a. erklärbar, weswegen eine höhere Anzahl von Erledigungen, im Vergleich zu den im selben Jahr erfolgten Antragsstellungen auftritt, da diese ebenso die Bearbeitung von Anträgen vorheriger Jahre umfasst. 

Quelle: https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung

Verfahrenslänge bis zum Erhalt des Erstbescheids:

In der retrospektiv, durch das Universitätsklinikum Ulm, ausgewerteten Online-Umfrage „Dein Weg durchs OEG“ (2023), wurden die Daten von 253 Gewaltopfern hinsichtlich der Verfahrensdauer bis zum Erhalt des Erstbescheids analysiert. Diese betrug:

  • bei 30% der Befragten: bis zu einem Jahr
  • bei 34% der Befragten: bis zu zwei Jahren
  • bei 20% der Befragten: zwei bis drei Jahre
  • bei 16% der Befragten: mehr als drei Jahre 
Abb.2 Gestellte Anträge und hiervon resultierender Erledigungen (ohne Bezugnahme der jeweiligen Entscheidungen)

3. Entscheidungen erledigter Anträge (2008-2023)

Abb.3 Entscheidungen erledigter Anträge (Ablehnungen, Anerkennungen, Erledigungen aus sonstigen Gründen), Zeitraum 2008-2023

Die entschiedenen Anträge unterteilen sich in drei Entscheidungsformen:

Beispiele hierfür sind u.a. die Rücknahme des Antrags, Übermittlung in ein anderes Bundesland (Wegzug), Tod. Nähere quantitative und qualitative Daten hierzu, sowie eine Erfassung, ob es sich um eine natürliche oder nicht natürliche Todesursache (wie etwa Suizid) handelt, werden allerdings nicht erfasst. 

In Bayern variierte die Erledigung aus sonstigen Gründen zwischen 14,04% (als niedrigsten Wert im Jahr 2015) und 24,48% (Höchstwert/ 2020). 

Bezugnehmend darauf wurden im Jahr 2015, bei 1.745 Antragserledigungen, 245 aus sonstigen Gründen für erledigt erklärt (14,04%). 

Für das Jahr 2020 betraf dies 427 Anträge, bei zugleich 1.744 Erledigungen (24,48%).

In der zuletzt erfassten Statistik (2023) betrug der Anteil an Erledigungen aus sonstigen Gründen 18,33%. (= 200 Anträge bei 1.091 Erledigungen/ gesamt)

Die überwiegenden Entscheidungen der Anträge resultieren seit 2015 in einer Ablehnung, ohne jedoch die Gründe hierzu zu erfassen. 

Quantitativ variiert die Ablehnungsquote erledigter Anträge zwischen 24,81 % (als niedrigsten Wert/ 2010) und 53,40% (Höchstwert/ 2018). 

Konkret bedeutet dies für das Jahr 2010: 608 Ablehnungen bei 2.451 erledigten Anträgen (24,81%) und für das Jahr 2018: 761 Ablehnungen bei 1.425 Antragserledigungen (53,40%). 

In der zuletzt erfassten Statistik/ 2023 betrug die Ablehnungsquote 48,95% (534 Ablehnungen bei 1.091 Antragserledigungen). Damit wurde nahezu jeder zweite Antrag auf Opferentschädigung in Bayern abgelehnt. 

Eine Ablehnung erfolgt, wenn eines der Kriterien, bestehend aus Tatnachweis, gesundheitlicher Schädigung oder Kausalität dessen, nicht anerkannt werden. 

Lediglich zwischen 28,92% (niedrigster Wert/ 2017) und 51,20% (höchster Wert/ 2010) der erledigten Anträge resultierten zwischen 2008 und 2023 in einer Anerkennung (gesamt). 

Dies entspricht im Jahr 2017: 504 Anerkennungen bei 1.743 erledigten Anträgen, sowie 1.255 Anerkennungen bei 2.451 erledigten Anträgen im Jahr 2010. 

Innerhalb der zuletzt erfassten Statistik (2023) betrug die Anerkennungsquote (gesamt): 32,72% der erledigten Anträge.

Eine Anerkennung ist allerdings nicht gleichzusetzen mit dem Erhalt von Entschädigungsleistungen, da diese erst ab einem Grad der Schädigung (GdS) von mind. 30 (GdS 25 wird aufgerundet auf GdS 30), gewährleistet werden (sogenannte „Renten“). Sofern ein GdS von 30 nicht erreicht werden konnte, besteht lediglich die Möglichkeit des Erhalts von Heilbehandlungskosten, nicht jedoch Entschädigungsleistungen, welche an die Opfer direkt gezahlt werden. Bundeslandübergreifend ist eine Gewährleistung von „Opferrenten“ mit deutlichem Abstand unterhalb des Erhalts von Heilbehandlungskosten zu verzeichnen (s.h. unten). 

4. Analyse der Anerkennungen 2008-2023

Die bereits gering vorliegenden Gesamtanerkennungen (Hellgrün dargestellt), umfasst die Summe von:

  • Anerkennungen mit einem GdS (Grad der Schädigung) <25 (Heilbehandlungskosten), sowie
  • Anerkennungen mit einem GdS >25 (Renten/ Erhalt von monatlichen Entschädigungsleistungen) 
Lediglich diejenigen Gewaltopfer, welche demnach mit einem Grad der Schädigung von mindestens 25 eingestuft wurden, erhalten eine monatliche Entschädigungsleistung, dessen Höhe sich am Grad der Schädigung (GdS) bemisst.
Abb.4, Anerkennungen (gesamt), sowie Unterteilung in Heilbehandlungskosten und Renten (GdS >25)

4.1. Entscheidungen bewilligter Renten (GdS >30), 2008-2023

Der Anteil von Entscheidungen, welche Renten (und somit den hierfür Mindest-GdS von 30) implizieren, betrug in Bayern innerhalb des Zeitraums von 2008-2023 zwischen 11,24% (minimalster Wert/ 2019) und 18,73% (maximalster Wert/ 2013).

Demnach wurden 2019 lediglich 147 Anträge, bei insgesamt 1.308 Antragserledigungen, im Jahre 2013, 342 Anträge bei 1.826 Erledigungen, mit einem Grad der Schädigung von mind. 30 bewilligt, sodass eine Auszahlung von Rentenleistungen an die Geschädigten erfolgte. 

Im Jahr 2023 (der zuletzt erfassten Statistik), betrug das Verhältnis 13,29% (145 bewilligte Renten bei 1.091 Antragserledigungen). 

Quelle: Statistiken des Weißen Rings https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung

Abb. 5, Anteil entschiedener Anerkennungen von Renten (GdS >30)

4.2. Rentenbewilligungen im Vergleich zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2008-2023

Wenngleich der direkte Vergleich zu den in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Gewalttaten (Hellfeld) mitunter zur Kritik führt (s.h. oben), so ist dennoch hieraus ersichtlich, wie wenige Gewaltopfer schlussendlich monatliche Entschädigungsleistungen/ Renten erhalten.

Für Bayern betrifft dies 0,67% (2023) bis 1,86% (2014) im Vergleich zu den erfassten Gewalttaten des Hellfelds (PKS). Aufgrund des hohen Dunkelfeldes (insbesondere im Rahmen sexualisierter Gewalt, sexuellen Kindesmissbrauchs…), ist daher von einem deutlich niedrigeren Anteil auszugehen. 

2023 wurden lediglich 145 Gewaltopfern „Opferentschädigungsrenten“ bewilligt bei 21.579 erfassten Gewalttaten (PKS), 2014 waren dies 358 Anerkennungen von Renten bei 19.229 erfassten Gewalttaten. 

Abb.6, Vergleich bewilligter Renten zu den in der PKS erfassten Gewalttaten (Hellfeld)

5. Inkorrekte Statistik/ Bayern- 2017

In der OEG-Statistik 2017 des Weißen Rings wurden für Bayern insgesamt 1.743 erledigte Anträge im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) gemeldet. Diese Zahl sollte sich aus den folgenden drei Kategorien zusammensetzen:

  • Erledigungen aus sonstigen Gründen: 279

  • Abgelehnte Anträge: 659

  • Anerkannte Anträge: 504

Die Summe dieser drei Werte beträgt jedoch nur 1.442. Es fehlen somit 301 Erledigungen, die in der Statistik nicht korrekt zugeordnet oder vollständig unerfasst geblieben sind.

Quelle: Statistik des Weißen Rings/ 2017- https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/oegstatistik2017_0_0.pdf