Hamburg
- Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) im Vergleich zu den in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten (Zeitraum: 2008-2023)
- Erledigungen gestellter Anträge (Zeitraum: 2008-2023)
- Entscheidungen erledigter Anträge (Zeitraum: 2008-2023)
- Analyse der Anerkennungen (Zeitraum: 2008-2023)
- Inkorrekte Statistiken/ Hamburg (2012, 2015, 2016, 2019, 2020)
1. Gestellte Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)/ 2008-2023
Nachdem bislang keine Vergleichsanalyse aller existierenden Landesstatistiken zur Opferentschädigung stattgefunden hatte, soll im Folgenden hierauf, unter Bezugnahme der Daten Hamburgs, welche vonseiten des Weißen Rings jährlich erhoben und veröffentlicht wurden, eingegangen werden. Aktuell umfasst dies den Zeitraum von 2008 bis einschließlich 2023 (als zuletzt, im Februar 2025, erschienene Statistik ). Landesspezifische Daten zum SGB XIV (welches nachfolgend des vorherigen Opferentschädigungsgesetzes, am 01.01.2024 in Kraft trat), liegen bislang, aufgrund technischen Versagens der IT-Infrastruktur, nicht vor (Stand: April 2025), wodurch hierauf nicht eingegangen werden kann.
In der rechts aufgeführten Statistik sind die niedrigen Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)/ grau, im Vergleich zu den in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten/blau, abgebildet.
Daten/ Analyse:
In Hamburg war die Antragsstellungsquote (OEG)/ im Vergleich zur PKS, (von 2008-2023), zwischen 4,37% (im Jahr 2022) und 7,93% (im Jahr 2013) zu verzeichnen.
Demnach stellten noch im Jahr 2013 bei 8.665 erfassten Gewalttaten (PKS), 687 Opfer in Hamburg einen Antrag auf Opferentschädigung (7,93%), wohingegen 2022 ein Negativrekord, mit 331 gestellten Anträgen bei 7.583 erfassten Gewalttaten (4,37%), eintrat. Wie die Anträge schlussendlich entschieden wurden, ist unten ausgeführt.
Im Jahr 2023 betrug die Antragsstellungsquote 4,82% (405 Antragsstellungen bei 8.394 erfassten Gewalttaten/ PKS).
Fazit: aufgrund der nicht erfassten hohen Dunkelziffer in der polizeilichen Kriminalstatistik, sowie der tatsächlichen Opferwerdungen, lässt sich feststellen, dass zuletzt/ 2023, <4,82% der Gewaltopfer einen Antrag auf Opferentschädigung stellten.

Die polizeiliche Kriminalstatistik/ PKS umfasst lediglich das Hellfeld von Straftaten und somit jene, welche angezeigt und schlussendlich vonseiten der Polizei an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurden. Nicht sichtbar ist hierin jedoch u.a. das hohe Dunkelfeld von Sexualdelikten, sowie sexuellen Kindesmissbrauchs, sodass von einer weitaus höheren Kriminalitätsrate/ Opferwerdung ausgegangen werden kann und sich demnach das Verhältnis zueinander ändert. Ebenso stellt eine Strafanzeigenstellung keine Voraussetzung für die Antragsstellung/ Opferentschädigung dar (was bspw. häufiger im Falle von Sexualdelikten, Verjährung der Tat, bei ehemals betroffenen Kindern, Tod des Täters… auftritt). Gleichwohl ist der Vergleich zur PKS angezeigt, nachdem sowohl in der Bevölkerung, als auch unter Gewaltopfern unzureichende Kenntnis hinsichtlich der Existenz von Opferentschädigungsansprüchen besteht (weitere Gründe sind unterhalb der Grafik abgebildet), sodass bereits hierdurch zahlreiche, potenzielle Ansprüche verwehrt bleiben oder eine Antragsstellung erst nach Jahren/ Jahrzehnten erfolgt.
- kein vorhandenes Wissen über die Existenz des Opferentschädigungsgesetzes/ SGB XIV (Vgl. FORSA-Umfrage/ Weißer Ring, Repräsentative Bevölkerungsbefragung zum Thema Soziales Entschädigungsrecht/BMAS)
- Überforderung bei der Antragsstellung (z.B. Retraumatisierung durch erforderliche Tatschilderung, Umfang einzureichender Unterlagen, Einleitung von Verfahren, wenn zuvor kein Strafverfahren erfolgte, Gefühle von Ohnmacht, Angst, Ungewissheit, Scham, Einnahme der Rolle eines Bittstellers, ggf. Befragung von Zeugen, Tätern, fehlende Unterstützung/ Begleitung, Aufgabe der Privatsphäre (sowohl den Zeitraum ab der/ den Tat/en, als auch zuvor/ danach betreffend), u.v.m.
- Abraten von Fachpersonen (aufgrund der diskriminierenden Verfahrensführung, welche neben sekundären Viktimisierungen, mitunter jahrzehntelange Klageverfahren zur Folge haben.)
2. Quantitative Antragserledigungen (2008-2023)
Von den in (Abb.1) bereits erfassten Antragsstellungen, wird nun die Erledigung dieser in Abb. 2 dargestellt.
Nachdem die Dauer der Erledigung (d.h. bis zur Ausstellung des Erstbescheids oder sogenannter „Erledigung aus sonstigen Gründen“, s.h. unten), variiert und mitunter mehrere Jahre betragen kann, finden Abweichungen (bezogen auf die jeweiligen Jahresstatistiken) statt. Hierdurch ist u.a. erklärbar, weswegen eine höhere Anzahl von Erledigungen, im Vergleich zu den im selben Jahr erfolgten Antragsstellungen auftritt, da diese ebenso die Bearbeitung von Anträgen vorheriger Jahre umfasst.
Quelle: https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung
Verfahrenslänge bis zum Erhalt des Erstbescheids:
In der retrospektiv, durch das Universitätsklinikum Ulm, ausgewerteten Online-Umfrage „Dein Weg durchs OEG“ (2023), wurden die Daten von 253 Gewaltopfern hinsichtlich der Verfahrensdauer bis zum Erhalt des Erstbescheids analysiert. Diese betrug:
- bei 30% der Befragten: bis zu einem Jahr
- bei 34% der Befragten: bis zu zwei Jahren
- bei 20% der Befragten: zwei bis drei Jahre
- bei 16% der Befragten: mehr als drei Jahre

3. Entscheidungen erledigter Anträge (2008-2023)

Die entschiedenen Anträge unterteilen sich in drei Entscheidungsformen:
Beispiele hierfür sind u.a. die Rücknahme des Antrags, Übermittlung in ein anderes Bundesland (Wegzug), Tod. Nähere quantitative und qualitative Daten hierzu, sowie eine Erfassung, ob es sich um eine natürliche oder nicht natürliche Todesursache (wie etwa Suizid) handelt, werden allerdings nicht erfasst.
In Hamburg variierte die Erledigung aus sonstigen Gründen zwischen 6,86% (als niedrigsten Wert im Jahr 2016) und 21,31% (Höchstwert/ 2020).
Bezugnehmend darauf wurden im Jahr 2016, bei 510 Antragserledigungen, 35 Anträge aus sonstigen Gründen für erledigt erklärt (6,86%).
Für das Jahr 2020 betraf dies 117 Anträge, bei zugleich 549 Erledigungen (21,31%).
In der zuletzt erfassten Statistik (2023) betrug der Anteil an Erledigungen aus sonstigen Gründen 8,77%. (= 27 Anträge bei 308 Erledigungen/ gesamt.
Die überwiegenden Entscheidungen der Anträge resultieren in einer Ablehnung, ohne jedoch die Gründe hierzu zu erfassen.
Quantitativ variiert die Ablehnungsquote erledigter Anträge zwischen 43,40% (als niedrigsten Wert/ 2011) und 62,16% (Höchstwert/ 2016).
Konkret bedeutet dies für das Jahr 2011: 240 Ablehnungen bei 553 erledigten Anträgen (43,40%) und für das Jahr 2016: 317 Ablehnungen bei 510 Antragserledigungen (62,16%).
In der zuletzt erfassten Statistik (2023) war die Ablehnungsquote bei 54,22% zu verzeichnen (167 Ablehnungen bei 308 Antragserledigungen). Damit wurde mehr als jeder zweite Antrag auf Opferentschädigung in Hamburg abgelehnt.
Eine Ablehnung erfolgt, wenn eines der Kriterien, bestehend aus Tatnachweis, gesundheitlicher Schädigung oder Kausalität dessen, nicht anerkannt werden.
Lediglich zwischen 24,95% (niedrigster Wert/ 2020) und 42,12% (höchster Wert/ 2014) der erledigten Anträge resultierten zwischen 2008 und 2023 in einer Anerkennung (gesamt).
Dies entspricht im Jahr 2020: 137 Anerkennungen bei 549 erledigten Anträgen, sowie 230 Anerkennungen bei 546 erledigten Anträgen im Jahr 2014.
Innerhalb der zuletzt erfassten Statistik (2023) betrug die Anerkennungsquote (gesamt): 37,01% der erledigten Anträge.
Eine Anerkennung ist allerdings nicht gleichzusetzen mit dem Erhalt von Entschädigungsleistungen, da diese erst ab einem Grad der Schädigung (GdS) von mind. 30 (GdS 25 wird aufgerundet auf GdS 30), gewährleistet werden (sogenannte „Renten“). Sofern ein GdS von 30 nicht erreicht werden konnte, besteht lediglich die Möglichkeit des Erhalts von Heilbehandlungskosten, nicht jedoch Entschädigungsleistungen, welche an die Opfer direkt gezahlt werden. Bundeslandübergreifend ist eine Gewährleistung von „Opferrenten“ mit deutlichem Abstand unterhalb des Erhalts von Heilbehandlungskosten zu verzeichnen (s.h. unten).
4. Analyse der Anerkennungen 2008-2023
Die bereits gering vorliegenden Gesamtanerkennungen (Hellgrün dargestellt), umfasst die Summe von:
- Anerkennungen mit einem GdS (Grad der Schädigung) <25 (Heilbehandlungskosten), sowie
- Anerkennungen mit einem GdS >25 (Renten/ Erhalt von monatlichen Entschädigungsleistungen)

4.1. Entscheidungen bewilligter Renten (GdS >30), 2008-2023
Der Anteil von Entscheidungen, welche Renten (und somit den hierfür Mindest-GdS von 30) implizieren, betrug in Hamburg innerhalb des Zeitraums von 2008-2023 zwischen 1,96% (minimalster Wert/ 2016) und 10,06% (maximalster Wert/ 2023).
Demnach wurden 2016 lediglich 10 Anträge, bei insgesamt 510 Antragserledigungen, im Jahre 2023, 31 Anträge bei 308 Erledigungen, mit einem Grad der Schädigung von mind. 30 bewilligt, sodass eine Auszahlung von Rentenleistungen an die Geschädigten erfolgte.
Quelle: Statistiken des Weißen Rings https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung

4.2. Rentenbewilligungen im Vergleich zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2008-2023
Wenngleich der direkte Vergleich zu den in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Gewalttaten (Hellfeld) mitunter zur Kritik führt (s.h. oben), so ist dennoch hieraus ersichtlich, wie wenige Gewaltopfer schlussendlich monatliche Entschädigungsleistungen/ Renten erhalten.
Für Hamburg betrifft dies 0,12% (2016) bis 0,54% (2013) im Vergleich zu den erfassten Gewalttaten des Hellfelds (PKS). Aufgrund des hohen Dunkelfeldes (insbesondere im Rahmen sexualisierter Gewalt, sexuellen Kindesmissbrauchs…), ist daher von einem deutlich niedrigeren Anteil auszugehen.
2016 wurden lediglich 10 Gewaltopfern „Opferentschädigungsrenten“ bewilligt bei 8.605 erfassten Gewalttaten (PKS), 2013 waren dies 47 Anerkennungen von Renten bei 8.665 erfassten Gewalttaten.
2023 erhielten im Verhältnis zur PKS lediglich 0,37% der Gewaltopfer Renten (31 Bewilligungen bei 8.394 erfassten Gewalttaten.)
Quelle: Statistiken des Weißen Rings: https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung

5. Inkorrekte Statistiken/ Hamburg, 2012, 2015, 2016, 2019, 2020
Die Erledigungen (insgesamt) setzen sich aus der Summe folgender Werte zusammen:
- Erledigungen aus sonstigen Gründen
- Ablehnungen
- Anerkennungen
- Heilbehandlungskosten (GdS <25)
- Renten (GdS >25) -> zusammengesetzt aus: Renten für Beschädigte und Renten für Witwen, Waisen, Eltern
Der Fehler in der Statistik
In der Statistik für Hamburg wurden 184 Anerkennungen insgesamt verzeichnet. Diese Zahl setzt sich wie folgt zusammen:
Heilbehandlungskosten: 179
Renten insgesamt: 38
Davon: 33 Renten für Beschädigte
Davon: 5 Renten für Witwen, Waisen und Eltern
Zusammengerechnet ergibt sich eine Zahl von 217 Anerkennungen (179 Heilbehandlungskosten + 38 Renten), was eine Differenz von 33 Anerkennungen zu den angegebenen 184 Anerkennungen insgesamt ergibt.
Quelle: Statistik des Weißen Rings/2012: https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/oegstatistik2012_0_0_0.pdf
1. Anerkennungen:
Die Gesamtzahl der Anerkennungen in Hamburg für 2015 wurde mit 200 angegeben. Diese Zahl setzt sich zusammen aus:
165 Anerkennungen für Heilbehandlungskosten und
32 Anerkennungen für Renten.
Jedoch ergibt sich hier eine Unstimmigkeit, da die Summe der beiden Werte (165 + 32 = 197) nicht mit der angegebenen Gesamtzahl der Anerkennungen (200) übereinstimmt.
2. Erledigungen insgesamt/ Ablehnungen, Anerkennungen, Erledigungen aus sonst. Gründen:
Die Statistik gibt die Zahl der Erledigungen insgesamt mit 506 an. Diese Zahl setzt sich aus den folgenden Teilwerten zusammen:
Erledigungen aus sonstigen Gründen: 49
Ablehnungen: 250
Anerkennungen insgesamt: 200
Die Summe der Teilwerte ergibt:
49 (Erledigungen aus sonstigen Gründen) + 250 (Ablehnungen) + 200 (Anerkennungen insgesamt) = 499
Jedoch wird die Gesamtzahl der Erledigungen insgesamt mit 506 angegeben. Dies zeigt eine Differenz von 7 Erledigungen zwischen der berechneten Summe (499) und der angegebenen Zahl (506).
Quelle: Statistik des Weißen Rings/ 2015: https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/oegstatistik2015_0_0.pdf
2. Fehler bei den Anerkennungen
Die Anerkennungen insgesamt in der Statistik für Hamburg sind mit 158 angegeben. Diese Zahl setzt sich aus den folgenden Kategorien zusammen:
Heilbehandlungskosten: 151
Renten insgesamt: 10
Die Summe der Anerkennungen ergibt:
151 (Heilbehandlungskosten) + 10 (Renten) = 161
Allerdings sind in der Statistik 158 Anerkennungen insgesamt angegeben, was eine Differenz von 3 Erkennungsfällen zur berechneten Summe von 161 ergibt.
Quelle: Statistik des Weißen Rings/ 2016: https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/meckthue_0_0.pdf
Die Anerkennungen insgesamt in der Statistik für Hamburg sind mit 134 angegeben. Diese Zahl setzt sich aus den folgenden Kategorien zusammen:
Heilbehandlungskosten: 117
Renten insgesamt: 24
Die Summe der Anerkennungen ergibt:
117 (Heilbehandlungskosten) + 24 (Renten) = 141
Es gibt also eine Diskrepanz zwischen der berechneten Summe von 141 und der in der Statistik angegebenen Zahl von 134. Die Differenz von 7 Anerkennungen stellt den Fehler in der Statistik dar.
Quelle: Statistik des Weißen Rings/ 2019: https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/2019staatlopferentschaedigung15072020.pdf
Anerkennungen insgesamt
Die Zahl der Anerkennungen insgesamt in der Statistik für Hamburg ist mit 137 angegeben. Diese Zahl setzt sich aus den folgenden Kategorien zusammen:
Heilbehandlungskosten: 118
Renten insgesamt: 18
Renten für Beschädigte: 15
Renten für Witwen, Waisen, Eltern: 3
Die Summe der Anerkennungen ergibt:
118 (Heilbehandlungskosten) + 18 (Renten insgesamt) = 136
Es gibt also eine Differenz von 1 zwischen der angegebenen Zahl von 137 und der berechneten Zahl von 136.
Quelle: Statistik des Weißen Rings/ 2020: https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/oegstatistik2020.pdf