Rheinland-Pfalz

  1. Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) im Vergleich zu den in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten (Zeitraum: 2008-2023)
  2. Erledigungen gestellter Anträge (Zeitraum: 2008-2023)
  3. Entscheidungen erledigter Anträge (Zeitraum: 2008-2023)
  4. Analyse der Anerkennungen (Zeitraum: 2008-2023)
  5. Inkorrekte Statistiken/ Rheinland-Pfalz (2012, 2020)

1. Gestellte Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)/ 2008-2023

Nachdem bislang keine Vergleichsanalyse aller existierenden Landesstatistiken zur Opferentschädigung stattgefunden hatte, soll im Folgenden hierauf, unter Bezugnahme der Daten Rheinland-Pfalzs, welche vonseiten des Weißen Rings jährlich erhoben und veröffentlicht wurden, eingegangen werden. Aktuell umfasst dies den Zeitraum von 2008 bis einschließlich 2023 (als zuletzt, im Februar 2025, erschienene Statistik ). Landesspezifische Daten zum SGB XIV (welches nachfolgend des vorherigen Opferentschädigungsgesetzes, am 01.01.2024 in Kraft trat), liegen bislang, aufgrund technischen Versagens der IT-Infrastruktur, nicht vor (Stand: April 2025), wodurch hierauf nicht eingegangen werden kann. 

 In der rechts aufgeführten Statistik sind die niedrigen Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)/ grau, im Vergleich zu den in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten/blau, abgebildet. 

Daten/ Analyse:

In Rheinland-Pfalz war die Antragsstellungsquote (OEG)/ im Vergleich zur PKS, (von 2008-2023), zwischen 6,85% (im Jahr 2022) und 9,56% (im Jahr 2015) zu verzeichnen. 

Demnach stellten noch im Jahr 2015 bei 8.001 erfassten Gewalttaten (PKS), 765 Opfer in Rheinland-Pfalz einen Antrag auf Opferentschädigung (9,56%), wohingegen 2022 ein Negativrekord, mit 590 gestellten Anträgen bei 8.607 erfassten Gewalttaten/PKS  (6,85%), eintrat. Wie die Anträge schlussendlich entschieden wurden, ist unten ausgeführt. 

2023 (der zuletzt erfassten Statistik) betrug die Antragsstellungsquote 7,21% (634 Antragsstellungen bei 8.788 erfassten Gewalttaten/PKS). 

Fazit: aufgrund der nicht erfassten hohen Dunkelziffer in der polizeilichen Kriminalstatistik, sowie der tatsächlichen Opferwerdungen, lässt sich feststellen, dass zuletzt/ 2023, <7,21% der Gewaltopfer einen Antrag auf Opferentschädigung stellten.

Abb.1 Antragsstellungen (OEG) im Vergleich zu den in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten, Zeitraum 2008-2023.Für das Jahr 2020 wurden keine Daten in RLP erhoben/ veröffentlicht.

Die polizeiliche Kriminalstatistik/ PKS umfasst lediglich das Hellfeld von Straftaten und somit jene, welche angezeigt und schlussendlich vonseiten der Polizei an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurden. Nicht sichtbar ist hierin jedoch u.a. das hohe Dunkelfeld von Sexualdelikten, sowie sexuellen Kindesmissbrauchs, sodass von einer weitaus höheren Kriminalitätsrate/ Opferwerdung ausgegangen werden kann und sich demnach das Verhältnis zueinander ändert. Ebenso stellt eine Strafanzeigenstellung keine Voraussetzung für die Antragsstellung/ Opferentschädigung dar (was bspw. häufiger im Falle von Sexualdelikten, Verjährung der Tat, bei ehemals betroffenen Kindern, Tod des Täters… auftritt). Gleichwohl ist der Vergleich zur PKS angezeigt, nachdem sowohl in der Bevölkerung, als auch unter Gewaltopfern unzureichende Kenntnis hinsichtlich der Existenz von Opferentschädigungsansprüchen besteht (weitere Gründe sind unterhalb der Grafik abgebildet), sodass bereits hierdurch zahlreiche, potenzielle Ansprüche verwehrt bleiben oder eine Antragsstellung erst nach Jahren/ Jahrzehnten erfolgt. 

  • kein vorhandenes Wissen über die Existenz des Opferentschädigungsgesetzes/ SGB XIV (Vgl. FORSA-Umfrage/ Weißer RingRepräsentative Bevölkerungsbefragung zum Thema Soziales Entschädigungsrecht/BMAS)
  • Überforderung bei der Antragsstellung (z.B. Retraumatisierung durch erforderliche Tatschilderung, Umfang einzureichender Unterlagen, Einleitung von Verfahren, wenn zuvor kein Strafverfahren erfolgte, Gefühle von Ohnmacht, Angst, Ungewissheit, Scham, Einnahme der Rolle eines Bittstellers, ggf. Befragung von Zeugen, Tätern, fehlende Unterstützung/ Begleitung, Aufgabe der Privatsphäre (sowohl den Zeitraum ab der/ den Tat/en, als auch zuvor/ danach betreffend), u.v.m.
  • Abraten von Fachpersonen (aufgrund der diskriminierenden Verfahrensführung, welche neben sekundären Viktimisierungen, mitunter jahrzehntelange Klageverfahren zur Folge haben.)

2. Quantitative Antragserledigungen (2008-2023)

Von den in (Abb.1)  bereits erfassten Antragsstellungen, wird nun die Erledigung dieser in Abb. 2 dargestellt. 

Nachdem die Dauer der Erledigung (d.h. bis zur Ausstellung des Erstbescheids oder sogenannter „Erledigung aus sonstigen Gründen“, s.h. unten), variiert und mitunter mehrere Jahre betragen kann, finden Abweichungen (bezogen auf die jeweiligen Jahresstatistiken) statt. Hierdurch ist u.a. erklärbar, weswegen eine höhere Anzahl von Erledigungen, im Vergleich zu den im selben Jahr erfolgten Antragsstellungen auftritt, da diese ebenso die Bearbeitung von Anträgen vorheriger Jahre umfasst. 

Quelle: https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung

Verfahrenslänge bis zum Erhalt des Erstbescheids:

In der retrospektiv, durch das Universitätsklinikum Ulm, ausgewerteten Online-Umfrage „Dein Weg durchs OEG“ (2023), wurden die Daten von 253 Gewaltopfern hinsichtlich der Verfahrensdauer bis zum Erhalt des Erstbescheids analysiert. Diese betrug:

  • bei 30% der Befragten: bis zu einem Jahr
  • bei 34% der Befragten: bis zu zwei Jahren
  • bei 20% der Befragten: zwei bis drei Jahre
  • bei 16% der Befragten: mehr als drei Jahre 
Abb.2 Gestellte Anträge und hiervon resultierender Erledigungen (ohne Bezugnahme der jeweiligen Entscheidungen)

3. Entscheidungen erledigter Anträge (2008-2023)

Abb.3 Entscheidungen erledigter Anträge (Ablehnungen, Anerkennungen, Erledigungen aus sonstigen Gründen), Zeitraum 2008-2023

Die entschiedenen Anträge unterteilen sich in drei Entscheidungsformen:

Beispiele hierfür sind u.a. die Rücknahme des Antrags, Übermittlung in ein anderes Bundesland (Wegzug), Tod. Nähere quantitative und qualitative Daten hierzu, sowie eine Erfassung, ob es sich um eine natürliche oder nicht natürliche Todesursache (wie etwa Suizid) handelt, werden allerdings nicht erfasst. 

In Rheinland-Pfalz variierte die Erledigung aus sonstigen Gründen zwischen 12,38% (als niedrigsten Wert im Jahr 2021) und 31,97% (Höchstwert/ 2016). 

Bezugnehmend darauf wurden im Jahr 2021, bei 428 Antragserledigungen, 53 aus sonstigen Gründen für erledigt erklärt (12,38%). 

Für das Jahr 2016 betraf dies 235 Anträge, bei zugleich 735 Erledigungen (31,97%).

In der zuletzt erfassten Statistik (2023) betrug der Anteil an Erledigungen aus sonstigen Gründen 27,20%. (= 161 Anträge bei 592 Erledigungen/ gesamt)

– Für das Jahr 2020 wurden keine Daten (in RLP) erhoben/ veröffentlicht

Die überwiegenden Entscheidungen der Anträge resultieren in einer Ablehnung, ohne jedoch die Gründe hierzu zu erfassen. 

Quantitativ variiert die Ablehnungsquote erledigter Anträge zwischen 31,72% (als niedrigsten Wert/ 2008) und 57,01% (Höchstwert/ 2021). 

Konkret bedeutet dies für das Jahr 2008: 230 Ablehnungen bei 725 erledigten Anträgen (31,72%) und für das Jahr 2021: 244 Ablehnungen bei 428 Antragserledigungen (57,01%). 

2023 (der zuletzt erfassten Statistik) betrug die Ablehnungsquote 42,40% (251 Ablehnungen bei 592 Erledigungen). Damit wurde 2023 beinahe jeder zweite Antrag auf Opferentschädigung in Rheinland-Pfalz abgelehnt.

 Für das Jahr 2020 wurden keine Daten (in RLP) erhoben/ veröffentlicht.

 

Eine Ablehnung erfolgt, wenn eines der Kriterien, bestehend aus Tatnachweis, gesundheitlicher Schädigung oder Kausalität dessen, nicht anerkannt werden. 

Lediglich zwischen 29,67% (niedrigster Wert/ 2019) und 47,03% (höchster Wert/ 2008) der erledigten Anträge resultierten zwischen 2008 und 2023 in einer Anerkennung (gesamt). 

Dies entspricht im Jahr 2019: 186 Anerkennungen bei 627 erledigten Anträgen, sowie 341 Anerkennungen bei 725 erledigten Anträgen im Jahr 2008. 

Innerhalb der zuletzt erfassten Statistik (2023) betrug die Anerkennungsquote (gesamt): 30,41% der erledigten Anträge.

 Für das Jahr 2020 wurden keine Daten (in RLP) erhoben/ veröffentlicht.

Eine Anerkennung ist allerdings nicht gleichzusetzen mit dem Erhalt von Entschädigungsleistungen, da diese erst ab einem Grad der Schädigung (GdS) von mind. 30 (GdS 25 wird aufgerundet auf GdS 30), gewährleistet werden (sogenannte „Renten“). Sofern ein GdS von 30 nicht erreicht werden konnte, besteht lediglich die Möglichkeit des Erhalts von Heilbehandlungskosten, nicht jedoch Entschädigungsleistungen, welche an die Opfer direkt gezahlt werden. Bundeslandübergreifend ist eine Gewährleistung von „Opferrenten“ mit deutlichem Abstand unterhalb des Erhalts von Heilbehandlungskosten zu verzeichnen (s.h. unten). 

4. Analyse der Anerkennungen 2008-2023

Die bereits gering vorliegenden Gesamtanerkennungen (Hellgrün dargestellt), umfasst die Summe von:

  • Anerkennungen mit einem GdS (Grad der Schädigung) <25 (Heilbehandlungskosten), sowie
  • Anerkennungen mit einem GdS >25 (Renten/ Erhalt von monatlichen Entschädigungsleistungen) 
Lediglich diejenigen Gewaltopfer, welche demnach mit einem Grad der Schädigung von mindestens 25 eingestuft wurden, erhalten eine monatliche Entschädigungsleistung, dessen Höhe sich am Grad der Schädigung (GdS) bemisst.
 
Für das Jahr 2020 wurden in RLP keine Daten erhoben/ veröffentlicht.
Abb.4, Anerkennungen (gesamt), sowie Unterteilung in Heilbehandlungskosten und Renten (GdS >25)

4.1. Entscheidungen bewilligter Renten (GdS >30), 2008-2023

Der Anteil von Entscheidungen, welche Renten (und somit den hierfür Mindest-GdS von 30) implizieren, betrug in Rheinland-Pfalz innerhalb des Zeitraums von 2008-2023 zwischen 4,51% (minimalster Wert/ 2018) und 10,62% (maximalster Wert/ 2008).

Demnach wurden 2018 lediglich 30 Anträge, bei insgesamt 665 Antragserledigungen, im Jahre 2008, 77 Anträge bei 725 Erledigungen, mit einem Grad der Schädigung von mind. 30 bewilligt, sodass eine Auszahlung von Rentenleistungen an die Geschädigten erfolgte. 

Im Jahr 2023 (der zuletzt erfassten Statistik), betrug das Verhältnis 4,90% (29 bewilligte Renten bei 592 Antragserledigungen). 

Quelle: Statistiken des Weißen Rings https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung

Abb. 5, Anteil entschiedener Anerkennungen von Renten (GdS >30)

4.2. Rentenbewilligungen im Vergleich zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2008-2023

Wenngleich der direkte Vergleich zu den in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Gewalttaten (Hellfeld) mitunter zur Kritik führt (s.h. oben), so ist dennoch hieraus ersichtlich, wie wenige Gewaltopfer schlussendlich monatliche Entschädigungsleistungen/ Renten erhalten.

Für Rheinland-Pfalz betrifft dies 0,33% (2023) bis 0,78% (2014) im Vergleich zu den erfassten Gewalttaten des Hellfelds (PKS). Aufgrund des hohen Dunkelfeldes (insbesondere im Rahmen sexualisierter Gewalt, sexuellen Kindesmissbrauchs…), ist daher von einem deutlich niedrigeren Anteil auszugehen. 

2023 wurden lediglich 29 Gewaltopfern „Opferentschädigungsrenten“ bewilligt bei 8.788 erfassten Gewalttaten (PKS), 2014 waren dies 64 Anerkennungen von Renten bei 8.205 erfassten Gewalttaten. 

Abb.6, Vergleich bewilligter Renten zu den in der PKS erfassten Gewalttaten (Hellfeld)

5. Inkorrekte Statistiken/ Rheinland-Pfalz- 2020, 2012

Für das Jahr 2020 wurden keine Daten in Rheinland-Pfalz erhoben/ veröffentlicht. 

Quelle: Statistik des Weißen Rings/ 2020: https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/oegstatistik2020.pdf

Laut Statistik des Weißen Rings wurden im Jahr 2012 insgesamt 329 Fälle anerkannt. Diese Anerkennungen setzen sich aus zwei Leistungsarten zusammen:

  • 278 Fälle mit der Gewährung von Heilbehandlungskosten

  • 44 Fälle mit der Gewährung von Rentenleistungen

Die Summe dieser beiden Leistungsarten ergibt jedoch nur 322 Fälle, nicht die ausgewiesenen 329. Es fehlen demnach 7 Fälle. 

Da die zusätzliche Addition der einzelnen Renten (Renten für Beschädigte & Renten für Witwen, Waisen, Eltern) mit der Gesamtanerkennung von Renten übereinstimmt, ist der Fehler innerhalb der Heilbehandlungskosten zu vermuten, sofern alle weiteren angegebenen Zahlen (Erledigungen, Erl. aus sonstigen Gründen, Ablehnungen und Anerkennungen) korrekt dargestellt sind. 

Quelle: Statistik des Weißen Rings/ 2012: https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/oegstatistik2012_0_0_0.pdf