Saarland

  1. Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) im Vergleich zu den in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten (Zeitraum: 2008-2023)
  2. Erledigungen gestellter Anträge (Zeitraum: 2008-2023)
  3. Entscheidungen erledigter Anträge (Zeitraum: 2008-2023)
  4. Analyse der Anerkennungen (Zeitraum: 2008-2023)
  5. Inkorrekte Statistiken/ Saarland (2009, 2012, 2016)

1. Gestellte Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)/ 2008-2023

Nachdem bislang keine Vergleichsanalyse aller existierenden Landesstatistiken zur Opferentschädigung stattgefunden hatte, soll im Folgenden hierauf, unter Bezugnahme der Daten Saarlands, welche vonseiten des Weißen Rings jährlich erhoben und veröffentlicht wurden, eingegangen werden. Aktuell umfasst dies den Zeitraum von 2008 bis einschließlich 2023 (als zuletzt, im Februar 2025, erschienene Statistik ). Landesspezifische Daten zum SGB XIV (welches nachfolgend des vorherigen Opferentschädigungsgesetzes, am 01.01.2024 in Kraft trat), liegen bislang, aufgrund technischen Versagens der IT-Infrastruktur, nicht vor (Stand: März 2025), wodurch hierauf nicht eingegangen werden kann. 

 In der rechts aufgeführten Statistik sind die niedrigen Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)/ grau, im Vergleich zu den in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten/blau, abgebildet. 

Daten/ Analyse:

In Saarland war die Antragsstellungsquote (OEG)/ im Vergleich zur PKS, (von 2008-2023), zwischen 4,53% (im Jahr 2023) und 12,18% (im Jahr 2011) zu verzeichnen. 

Demnach stellten noch im Jahr 2011 bei 2.594 erfassten Gewalttaten (PKS), 316 Opfer in Saarland einen Antrag auf Opferentschädigung (12,18%), wohingegen 2023 ein Negativrekord, mit 115 gestellten Anträgen bei 2.538 erfassten Gewalttaten (4,53%), eintrat. Wie die Anträge schlussendlich entschieden wurden, ist unten ausgeführt. 

Fazit: aufgrund der nicht erfassten hohen Dunkelziffer in der polizeilichen Kriminalstatistik, sowie der tatsächlichen Opferwerdungen, lässt sich feststellen, dass zuletzt/ 2023, <4,53% der Gewaltopfer einen Antrag auf Opferentschädigung stellten.

Abb.1 Antragsstellungen (OEG) im Vergleich zu den in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten, Zeitraum 2008-2023

Die polizeiliche Kriminalstatistik/ PKS umfasst lediglich das Hellfeld von Straftaten und somit jene, welche angezeigt und schlussendlich vonseiten der Polizei an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurden. Nicht sichtbar ist hierin jedoch u.a. das hohe Dunkelfeld von Sexualdelikten, sowie sexuellen Kindesmissbrauchs, sodass von einer weitaus höheren Kriminalitätsrate/ Opferwerdung ausgegangen werden kann und sich demnach das Verhältnis zueinander ändert. Ebenso stellt eine Strafanzeigenstellung keine Voraussetzung für die Antragsstellung/ Opferentschädigung dar (was bspw. häufiger im Falle von Sexualdelikten, Verjährung der Tat, bei ehemals betroffenen Kindern, Tod des Täters… auftritt). Gleichwohl ist der Vergleich zur PKS angezeigt, nachdem sowohl in der Bevölkerung, als auch unter Gewaltopfern unzureichende Kenntnis hinsichtlich der Existenz von Opferentschädigungsansprüchen besteht (weitere Gründe sind unterhalb der Grafik abgebildet), sodass bereits hierdurch zahlreiche, potenzielle Ansprüche verwehrt bleiben oder eine Antragsstellung erst nach Jahren/ Jahrzehnten erfolgt. 

  • kein vorhandenes Wissen über die Existenz des Opferentschädigungsgesetzes/ SGB XIV (Vgl. FORSA-Umfrage/ Weißer RingRepräsentative Bevölkerungsbefragung zum Thema Soziales Entschädigungsrecht/BMAS)
  • Überforderung bei der Antragsstellung (z.B. Retraumatisierung durch erforderliche Tatschilderung, Umfang einzureichender Unterlagen, Einleitung von Verfahren, wenn zuvor kein Strafverfahren erfolgte, Gefühle von Ohnmacht, Angst, Ungewissheit, Scham, Einnahme der Rolle eines Bittstellers, ggf. Befragung von Zeugen, Tätern, fehlende Unterstützung/ Begleitung, Aufgabe der Privatsphäre (sowohl den Zeitraum ab der/ den Tat/en, als auch zuvor/ danach betreffend), u.v.m.
  • Abraten von Fachpersonen (aufgrund der diskriminierenden Verfahrensführung, welche neben sekundären Viktimisierungen, mitunter jahrzehntelange Klageverfahren zur Folge haben.)

2. Quantitative Antragserledigungen (2008-2023)

Von den in (Abb.1)  bereits erfassten Antragsstellungen, wird nun die Erledigung dieser in Abb. 2 dargestellt. 

Nachdem die Dauer der Erledigung (d.h. bis zur Ausstellung des Erstbescheids oder sogenannter „Erledigung aus sonstigen Gründen“, s.h. unten), variiert und mitunter mehrere Jahre betragen kann, finden Abweichungen (bezogen auf die jeweiligen Jahresstatistiken) statt. Hierdurch ist u.a. erklärbar, weswegen eine höhere Anzahl von Erledigungen, im Vergleich zu den im selben Jahr erfolgten Antragsstellungen auftritt, da diese ebenso die Bearbeitung von Anträgen vorheriger Jahre umfasst. 

Quelle: https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung

Verfahrenslänge bis zum Erhalt des Erstbescheids:

In der retrospektiv, durch das Universitätsklinikum Ulm, ausgewerteten Online-Umfrage „Dein Weg durchs OEG“ (2023), wurden die Daten von 253 Gewaltopfern hinsichtlich der Verfahrensdauer bis zum Erhalt des Erstbescheids analysiert. Diese betrug:

  • bei 30% der Befragten: bis zu einem Jahr
  • bei 34% der Befragten: bis zu zwei Jahren
  • bei 20% der Befragten: zwei bis drei Jahre
  • bei 16% der Befragten: mehr als drei Jahre 
Abb.2 Gestellte Anträge und hiervon resultierender Erledigungen (ohne Bezugnahme der jeweiligen Entscheidungen)

3. Entscheidungen erledigter Anträge (2008-2023)

Abb.3 Entscheidungen erledigter Anträge (Ablehnungen, Anerkennungen, Erledigungen aus sonstigen Gründen), Zeitraum 2008-2023

Die entschiedenen Anträge unterteilen sich in drei Entscheidungsformen:

Beispiele hierfür sind u.a. die Rücknahme des Antrags, Übermittlung in ein anderes Bundesland (Wegzug), Tod. Nähere quantitative und qualitative Daten hierzu, sowie eine Erfassung, ob es sich um eine natürliche oder nicht natürliche Todesursache (wie etwa Suizid) handelt, werden allerdings nicht erfasst. 

In Saarland variierte die Erledigung aus sonstigen Gründen zwischen 6,38% (als niedrigsten Wert im Jahr 2015) und 26,47% (Höchstwert/ 2017). 

Bezugnehmend darauf wurden im Jahr 2015, bei 188 Antragserledigungen, 12 aus sonstigen Gründen für erledigt erklärt (6,38%). 

Für das Jahr 2017 betraf dies 45 Anträge, bei zugleich 170 Erledigungen (26,47%).

In der zuletzt erfassten Statistik (2023) betrug der Anteil an Erledigungen aus sonstigen Gründen 18,27%. (= 19 Anträge bei 104 Erledigungen/ gesamt)

Die überwiegenden Entscheidungen der Anträge resultieren in einer Ablehnung, ohne jedoch die Gründe hierzu zu erfassen. 

Quantitativ variiert die Ablehnungsquote erledigter Anträge zwischen 41,18 % (als niedrigsten Wert/ 2017) und 63,83% (Höchstwert/ 2015). 

Konkret bedeutet dies für das Jahr 2017: 70 Ablehnungen bei 170 erledigten Anträgen (41,18%) und für das Jahr 2015: 120 Ablehnungen bei 188 Antragserledigungen (63,83%). 

Zuletzt (2023) betrug die die Ablehnungsquote 53,85%. (56 Ablehnungen bei 104 Antragserledigungen). Damit wurde mehr als jeder zweite Antrag auf Opferentschädigung in Saarland abgelehnt.

 

Eine Ablehnung erfolgt, wenn eines der Kriterien, bestehend aus Tatnachweis, gesundheitlicher Schädigung oder Kausalität dessen, nicht anerkannt werden. 

Lediglich zwischen 20,51% (niedrigster Wert/ 2022) und 43,42% (höchster Wert/ 2012) der erledigten Anträge resultierten zwischen 2008 und 2023 in einer Anerkennung (gesamt). 

Dies entspricht im Jahr 2022: 24 Anerkennungen bei 117 erledigten Anträgen, sowie 122 Anerkennungen bei 281 erledigten Anträgen im Jahr 2012. 

Innerhalb der zuletzt erfassten Statistik (2023) betrug die Anerkennungsquote (gesamt): 27,88% der erledigten Anträge.

Eine Anerkennung ist allerdings nicht gleichzusetzen mit dem Erhalt von Entschädigungsleistungen, da diese erst ab einem Grad der Schädigung (GdS) von mind. 30 (GdS 25 wird aufgerundet auf GdS 30), gewährleistet werden (sogenannte „Renten“). Sofern ein GdS von 30 nicht erreicht werden konnte, besteht lediglich die Möglichkeit des Erhalts von Heilbehandlungskosten, nicht jedoch Entschädigungsleistungen, welche an die Opfer direkt gezahlt werden. Bundeslandübergreifend ist eine Gewährleistung von „Opferrenten“ mit deutlichem Abstand unterhalb des Erhalts von Heilbehandlungskosten zu verzeichnen (s.h. unten). 

4. Analyse der Anerkennungen 2008-2023

Die bereits gering vorliegenden Gesamtanerkennungen (Hellgrün dargestellt), umfasst die Summe von:

  • Anerkennungen mit einem GdS (Grad der Schädigung) <25 (Heilbehandlungskosten), sowie
  • Anerkennungen mit einem GdS >25 (Renten/ Erhalt von monatlichen Entschädigungsleistungen) 
Lediglich diejenigen Gewaltopfer, welche demnach mit einem Grad der Schädigung von mindestens 25 eingestuft wurden, erhalten eine monatliche Entschädigungsleistung, dessen Höhe sich am Grad der Schädigung (GdS) bemisst.
Abb.4, Anerkennungen (gesamt), sowie Unterteilung in Heilbehandlungskosten und Renten (GdS >25)

4.1. Entscheidungen bewilligter Renten (GdS >30), 2008-2023

Der Anteil von Entscheidungen, welche Renten (und somit den hierfür Mindest-GdS von 30) implizieren, betrug in Saarland innerhalb des Zeitraums von 2008-2023 zwischen 1,20% (minimalster Wert/ 2016) und 21,53% (maximalster Wert/ 2019).

Demnach wurden 2016 lediglich 2 Anträge, bei insgesamt 166 Antragserledigungen, im Jahre 2019, 31 Anträge bei 144 Erledigungen, mit einem Grad der Schädigung von mind. 30 bewilligt, sodass eine Auszahlung von Rentenleistungen an die Geschädigten erfolgte. 

Im Jahr 2023 (der zuletzt erfassten Statistik), betrug das Verhältnis 3,85% (4 bewilligte Renten bei 104 Antragserledigungen). 

Quelle: Statistiken des Weißen Rings https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung

Abb. 5, Anteil entschiedener Anerkennungen von Renten (GdS >30)

4.2. Rentenbewilligungen im Vergleich zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2008-2023

Wenngleich der direkte Vergleich zu den in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Gewalttaten (Hellfeld) mitunter zur Kritik führt (s.h. oben), so ist dennoch hieraus ersichtlich, wie wenige Gewaltopfer schlussendlich monatliche Entschädigungsleistungen/ Renten erhalten.

Für Saarland betrifft dies 0.07% (2016) bis 1,33% (2012) im Vergleich zu den erfassten Gewalttaten des Hellfelds (PKS). Aufgrund des hohen Dunkelfeldes (insbesondere im Rahmen sexualisierter Gewalt, sexuellen Kindesmissbrauchs…), ist daher von einem deutlich niedrigeren Anteil auszugehen. 

2016 wurden lediglich 2 Gewaltopfern „Opferentschädigungsrenten“ bewilligt bei 2.728 erfassten Gewalttaten (PKS), 

2012 (= Maximalwert)  waren dies 36 Anerkennungen von Renten bei 2.700 erfassten Gewalttaten. 

In der zuletzt erfassten Statistik betrug das Verhältnis 0,16% (4 anerkannte Renten bei 2.538 erfassten Gewalttaten (PKS). 

Abb.6, Vergleich bewilligter Renten zu den in der PKS erfassten Gewalttaten (Hellfeld)

5. Inkorrekte Statistiken/ Saarland- 2009/ 2012/ 2016

Die Erledigungen (insgesamt) setzen sich aus der Summe folgender Werte zusammen:

  • Erledigungen aus sonstigen Gründen
  • Ablehnungen
  • Anerkennungen
Bezogen auf die Anerkennungen unterteilen sich diese nochmals in:
  • Heilbehandlungskosten (GdS <25)
  • Renten (GdS >25) -> zusammengesetzt aus: Renten für Beschädigte und Renten für Witwen, Waisen, Eltern 
Innerhalb der unten aufgeführten Statistiken erwiesen sich jedoch Diskrepanzen, sodass diese somit nicht korrekt sind.

In der veröffentlichten OEG-Statistik 2009 des Weißen Rings finden sich Unstimmigkeiten bei den Daten zum Saarland. Laut Statistik wurden im Saarland im Jahr 2009 insgesamt 408 Anträge erledigt. Diese Zahl sollte sich aus der Summe folgender drei Kategorien ergeben:

  • Erledigungen aus sonstigen Gründen: 42

  • Abgelehnte Anträge: 204

  • Anerkannte Anträge: 159

Die Summe dieser drei Werte beträgt jedoch nur 405 – es fehlen also 3 Fälle, die nicht zugeordnet wurden.

Quelle: Statistik des Weißen Rings/ 2009: https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/oegstatistik2009_0_0_0.pdf

In der OEG-Statistik 2012 des Weißen Rings sind für das Saarland 122 Anerkennungen von Anträgen auf Opferentschädigung aufgeführt. Diese Zahl setzt sich laut Statistik aus folgenden Unterkategorien zusammen:

  • Rentenanerkennungen: 36

  • Anerkennungen für Heilbehandlungskosten: 91

Die Summe dieser beiden Werte beträgt jedoch 127, nicht 122 – es besteht also eine Abweichung von 5 Fällen. Diese Diskrepanz deutet auf einen Rechen- oder Erfassungsfehler hin.

Quelle: Statistik des Weißen Rings/ 2012: https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/oegstatistik2012_0_0_0.pdf

 Laut Statistik wurden insgesamt 166 Anträge als erledigt angegeben. Diese Zahl setzt sich aus folgenden Kategorien zusammen:

  • Erledigungen aus sonstigen Gründen: 32

  • Abgelehnte Anträge: 76

  • Anerkannte Anträge: 57

Die Summe dieser drei Werte ergibt jedoch 165 (32 + 76 + 57), nicht 166. Es fehlt also 1 Fall in der Berechnung.

Quelle: Statistik des Weißen Rings/ 2016: https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/meckthue_0_0.pdf