Brandenburg
- Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) im Vergleich zu den in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten (Zeitraum: 2008-2023)
- Erledigungen gestellter Anträge (Zeitraum: 2008-2023)
- Entscheidungen erledigter Anträge (Zeitraum: 2008-2023)
- Analyse der Anerkennungen (Zeitraum: 2008-2023)
1. Gestellte Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)/ 2008-2023
Nachdem bislang keine Vergleichsanalyse aller existierenden Landesstatistiken zur Opferentschädigung stattgefunden hatte, soll im Folgenden hierauf, unter Bezugnahme der Daten Brandenburgs, welche vonseiten des Weißen Rings jährlich erhoben und veröffentlicht wurden, eingegangen werden. Aktuell umfasst dies den Zeitraum von 2008 bis einschließlich 2023 (als zuletzt, im Februar 2025, erschienene Statistik ). Landesspezifische Daten zum SGB XIV (welches nachfolgend des vorherigen Opferentschädigungsgesetzes, am 01.01.2024 in Kraft trat), liegen bislang, aufgrund technischen Versagens der IT-Infrastruktur, nicht vor (Stand: April 2025), wodurch hierauf nicht eingegangen werden kann.
In der rechts aufgeführten Statistik sind die niedrigen Antragsstellungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)/ grau, im Vergleich zu den in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Gewalttaten/blau, abgebildet.
Daten/ Analyse:
In Brandenburg war die Antragsstellungsquote (OEG)/ im Vergleich zur PKS, (von 2008-2023), zwischen 7,98% (im Jahr 2023) und 21,62% (im Jahr 2009) zu verzeichnen.
Demnach stellten noch im Jahr 2009 bei 5.161 erfassten Gewalttaten (PKS), 1.116 Opfer in Brandenburg einen Antrag auf Opferentschädigung (21,62%), wohingegen 2023 ein Negativrekord, mit 439 gestellten Anträgen bei 5.499 erfassten Gewalttaten (7,98%), eintrat. Wie die Anträge schlussendlich entschieden wurden, ist unten ausgeführt.
Fazit: aufgrund der nicht erfassten hohen Dunkelziffer in der polizeilichen Kriminalstatistik, sowie der tatsächlichen Opferwerdungen, lässt sich feststellen, dass zuletzt/ 2023, <7,98% der Gewaltopfer einen Antrag auf Opferentschädigung stellten.

Die polizeiliche Kriminalstatistik/ PKS umfasst lediglich das Hellfeld von Straftaten und somit jene, welche angezeigt und schlussendlich vonseiten der Polizei an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurden. Nicht sichtbar ist hierin jedoch u.a. das hohe Dunkelfeld von Sexualdelikten, sowie sexuellen Kindesmissbrauchs, sodass von einer weitaus höheren Kriminalitätsrate/ Opferwerdung ausgegangen werden kann und sich demnach das Verhältnis zueinander ändert. Ebenso stellt eine Strafanzeigenstellung keine Voraussetzung für die Antragsstellung/ Opferentschädigung dar (was bspw. häufiger im Falle von Sexualdelikten, Verjährung der Tat, bei ehemals betroffenen Kindern, Tod des Täters… auftritt). Gleichwohl ist der Vergleich zur PKS angezeigt, nachdem sowohl in der Bevölkerung, als auch unter Gewaltopfern unzureichende Kenntnis hinsichtlich der Existenz von Opferentschädigungsansprüchen besteht (weitere Gründe sind unterhalb der Grafik abgebildet), sodass bereits hierdurch zahlreiche, potenzielle Ansprüche verwehrt bleiben oder eine Antragsstellung erst nach Jahren/ Jahrzehnten erfolgt.
- kein vorhandenes Wissen über die Existenz des Opferentschädigungsgesetzes/ SGB XIV (Vgl. FORSA-Umfrage/ Weißer Ring, Repräsentative Bevölkerungsbefragung zum Thema Soziales Entschädigungsrecht/BMAS)
- Überforderung bei der Antragsstellung (z.B. Retraumatisierung durch erforderliche Tatschilderung, Umfang einzureichender Unterlagen, Einleitung von Verfahren, wenn zuvor kein Strafverfahren erfolgte, Gefühle von Ohnmacht, Angst, Ungewissheit, Scham, Einnahme der Rolle eines Bittstellers, ggf. Befragung von Zeugen, Tätern, fehlende Unterstützung/ Begleitung, Aufgabe der Privatsphäre (sowohl den Zeitraum ab der/ den Tat/en, als auch zuvor/ danach betreffend), u.v.m.
- Abraten von Fachpersonen (aufgrund der diskriminierenden Verfahrensführung, welche neben sekundären Viktimisierungen, mitunter jahrzehntelange Klageverfahren zur Folge haben.)
2. Quantitative Antragserledigungen (2008-2023)
Von den in (Abb.1) bereits erfassten Antragsstellungen, wird nun die Erledigung dieser in Abb. 2 dargestellt.
Nachdem die Dauer der Erledigung (d.h. bis zur Ausstellung des Erstbescheids oder sogenannter „Erledigung aus sonstigen Gründen“, s.h. unten), variiert und mitunter mehrere Jahre betragen kann, finden Abweichungen (bezogen auf die jeweiligen Jahresstatistiken) statt. Hierdurch ist u.a. erklärbar, weswegen eine höhere Anzahl von Erledigungen, im Vergleich zu den im selben Jahr erfolgten Antragsstellungen auftritt, da diese ebenso die Bearbeitung von Anträgen vorheriger Jahre umfasst.
Quelle: https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung
Verfahrenslänge bis zum Erhalt des Erstbescheids:
In der retrospektiv, durch das Universitätsklinikum Ulm, ausgewerteten Online-Umfrage „Dein Weg durchs OEG“ (2023), wurden die Daten von 253 Gewaltopfern hinsichtlich der Verfahrensdauer bis zum Erhalt des Erstbescheids analysiert. Diese betrug:
- bei 30% der Befragten: bis zu einem Jahr
- bei 34% der Befragten: bis zu zwei Jahren
- bei 20% der Befragten: zwei bis drei Jahre
- bei 16% der Befragten: mehr als drei Jahre

3. Entscheidungen erledigter Anträge (2008-2023)

Die entschiedenen Anträge unterteilen sich in drei Entscheidungsformen:
Beispiele hierfür sind u.a. die Rücknahme des Antrags, Übermittlung in ein anderes Bundesland (Wegzug), Tod. Nähere quantitative und qualitative Daten hierzu, sowie eine Erfassung, ob es sich um eine natürliche oder nicht natürliche Todesursache (wie etwa Suizid) handelt, werden allerdings nicht erfasst.
In Brandenburg variierte die Erledigung aus sonstigen Gründen zwischen 0,00% (als niedrigsten Wert im Jahr 2018) und 38,29% (Höchstwert/ 2013). Nachdem 2018 eine Ausnahme hinsichtlich aller anderen Werte darstellte, bemisst sich der tatsächliche Rahmen vielmehr am Zweitniedrigsten Wert im Jahr 2019, mit 13,86% Erledigungen aus sonst. Gründen.
Bezugnehmend darauf wurden im Jahr 2018, bei 503 Antragserledigungen, 0 aus sonstigen Gründen für erledigt erklärt (0,00%). Bemessen am Zweitniedrigsten Wert (2019): 65 Erledigungen aus sonstigen Gründen, bei 469 Gesamterledigungen (13,86%).
Für das Jahr 2013 betraf dies 265 Anträge, bei zugleich 692 Erledigungen (38,29%).
In der zuletzt erfassten Statistik (2023) betrug der Anteil an Erledigungen aus sonstigen Gründen 14,75%. (= 68 Anträge bei 461 Erledigungen/ gesamt)
Die überwiegenden Entscheidungen der Anträge resultieren in einer Ablehnung, ohne jedoch die Gründe hierzu zu erfassen.
Quantitativ variiert die Ablehnungsquote erledigter Anträge zwischen 34,59% (als niedrigsten Wert/ 2009) und 65,61% (Höchstwert/ 2018).
Konkret bedeutet dies für das Jahr 2009: 404 Ablehnungen bei 1.168 erledigten Anträgen (34,59%) und für das Jahr 2018: 330 Ablehnungen bei 503 Antragserledigungen (65,61%).
Im Jahr 2023, der zuletzt erfassten Statistik, betrug die Ablehnungsquote 53,58% (247 Ablehnungen bei 461 Antragserledigungen).Damit wurde über die Hälfte der Anträge auf Opferentschädigung in Brandenburg abgelehnt.
Eine Ablehnung erfolgt, wenn eines der Kriterien, bestehend aus Tatnachweis, gesundheitlicher Schädigung oder Kausalität dessen, nicht anerkannt werden.
Lediglich zwischen 25,00% (niedrigster Wert/ 2013) und 37,35% (höchster Wert/ 2021) der erledigten Anträge resultierten zwischen 2008 und 2023 in einer Anerkennung (gesamt).
Dies entspricht im Jahr 2013: 173 Anerkennungen bei 692 erledigten Anträgen, sowie 217 Anerkennungen bei 581 erledigten Anträgen im Jahr 2021.
Innerhalb der zuletzt erfassten Statistik (2023) betrug die Anerkennungsquote (gesamt): 31,67% der erledigten Anträge.
Eine Anerkennung ist allerdings nicht gleichzusetzen mit dem Erhalt von Entschädigungsleistungen, da diese erst ab einem Grad der Schädigung (GdS) von mind. 30 (GdS 25 wird aufgerundet auf GdS 30), gewährleistet werden (sogenannte „Renten“). Sofern ein GdS von 30 nicht erreicht werden konnte, besteht lediglich die Möglichkeit des Erhalts von Heilbehandlungskosten, nicht jedoch Entschädigungsleistungen, welche an die Opfer direkt gezahlt werden. Bundeslandübergreifend ist eine Gewährleistung von „Opferrenten“ mit deutlichem Abstand unterhalb des Erhalts von Heilbehandlungskosten zu verzeichnen (s.h. unten).
4. Analyse der Anerkennungen 2008-2023
Die bereits gering vorliegenden Gesamtanerkennungen (Hellgrün dargestellt), umfasst die Summe von:
- Anerkennungen mit einem GdS (Grad der Schädigung) <25 (Heilbehandlungskosten), sowie
- Anerkennungen mit einem GdS >25 (Renten/ Erhalt von monatlichen Entschädigungsleistungen)

4.1. Entscheidungen bewilligter Renten (GdS >30), 2008-2023
Der Anteil von Entscheidungen, welche Renten (und somit den hierfür Mindest-GdS von 30) implizieren, betrug in Brandenburg innerhalb des Zeitraums von 2008-2023 zwischen 2,31% (minimalster Wert/ 2009) und 9,47% (maximalster Wert/ 2021).
Demnach wurden 2009 lediglich 27 Anträge, bei insgesamt 1.168 Antragserledigungen, im Jahre 2021, 55 Anträge bei 581 Erledigungen, mit einem Grad der Schädigung von mind. 30 bewilligt, sodass eine Auszahlung von Rentenleistungen an die Geschädigten erfolgte.
Im Jahr 2023 (der zuletzt erfassten Statistik), betrug das Verhältnis 6,51% (30 bewilligte Renten bei 461 Antragserledigungen).
Quelle: Statistiken des Weißen Rings https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung

4.2. Rentenbewilligungen im Vergleich zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2008-2023
Wenngleich der direkte Vergleich zu den in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Gewalttaten (Hellfeld) mitunter zur Kritik führt (s.h. oben), so ist dennoch hieraus ersichtlich, wie wenige Gewaltopfer schlussendlich monatliche Entschädigungsleistungen/ Renten erhalten.
Für Brandenburg betrifft dies 0,01% (2009) bis 1,28% (2021) im Vergleich zu den erfassten Gewalttaten des Hellfelds (PKS). Aufgrund des hohen Dunkelfeldes (insbesondere im Rahmen sexualisierter Gewalt, sexuellen Kindesmissbrauchs…), ist daher von einem deutlich niedrigeren Anteil auszugehen.
2009 wurden lediglich 27 Gewaltopfern „Opferentschädigungsrenten“ bewilligt bei 5.161 erfassten Gewalttaten (PKS), 2021 waren dies 55 Anerkennungen von Renten bei 4.294 erfassten Gewalttaten.
Quelle: Statistiken des Weißen Rings: https://weisser-ring.de/statistiken-zur-staatlichen-opferentschaedigung
